Gastritis und Stoffwechsel beim Hund: Wenn Magen und Hormone zusammenarbeiten
Die Schilddrüse als zentrale Stelle des Stoffwechsel des Hundes

Wenn der Magen deines Hundes rebelliert, steckt oft mehr dahinter als nur ein empfindlicher Magen. Gastritis ist nicht einfach nur eine lokale Entzündung der Magenschleimhaut – sie kann den gesamten Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht bringen und sogar Einfluss auf die Schilddrüsenfunktion nehmen. Ein komplexes Zusammenspiel, das viele Halter:innen unterschätzen.
Wenn die Magenschleimhaut zur Dauerbaustelle wird
Ist der Magen entzündet, läuft das Immunsystem deines Hundes auf Hochtouren, um die Schäden zu reparieren. Das kostet viel Energie. Um Ressourcen zu sparen, schaltet der Körper in den sogenannten "Überlebensmodus": Der Stoffwechsel wird heruntergefahren, Muskeln und Fettreserven werden zur Energiegewinnung angezapft. Wenn dann durch Appetitlosigkeit auch noch weniger Futter aufgenommen wird, gerät der Hund schnell in einen Zustand von Mangelversorgung und Energiedefizit.
Besonders bei einer chronischen Gastritis, die über Wochen oder Monate bestehen bleibt, entwickelt sich eine dauerhafte Belastung des Organismus. Das ständige Aktivieren des Immunsystems fordert Reserven, die an anderer Stelle fehlen: Haut, Fell, Muskeln und Nervenstoffwechsel werden mit weniger Nährstoffen versorgt. Nicht selten zeigt sich das an einem stumpfen Fell, verlangsamtem Bewegungsdrang und anhaltender Müdigkeit.
Die stille Rolle der Schilddrüse im Hintergrund
Die Schilddrüse arbeitet dabei meist still im Hintergrund – und doch ist sie zentral beteiligt. Ihre Hormone regulieren den gesamten Energiehaushalt und beeinflussen auch den Magen. Schilddrüsenhormone steuern, wie schnell der Magen arbeitet, wie gut die Schleimhaut durchblutet wird und wie viel Magensäure produziert wird.
Fehlen diese Hormone – wie bei einer Schilddrüsenunterfunktion – verlangsamt sich die Verdauung. Die Magenentleerung wird träger, die Säureproduktion verändert sich, die Schleimhaut wird anfälliger. So kann eine gestörte Schilddrüse den Magen empfindlicher machen – und umgekehrt.
Wissenschaftlich belegt ist, dass Schilddrüsenhormone sogar die Produktion von Magenschleimhautprostaglandinen beeinflussen, die wiederum als Schutzfilm gegen Magensäure dienen. Ist diese Produktion gestört, wird die Magenschleimhaut noch anfälliger für Entzündungen und Reizungen.
Ein Kreislauf, der sich gegenseitig verstärken kann
Das Spannende: Eine chronische Gastritis kann selbst langfristig Einfluss auf die hormonelle Steuerung nehmen. Anhaltende Entzündungen bringen das feine Zusammenspiel der Hormone durcheinander. So entsteht ein Teufelskreis: Der gereizte Magen belastet das Hormonsystem, und eine gestörte Schilddrüse wiederum schwächt den Magen.
Bei Hunden mit länger bestehenden Magenproblemen lohnt es sich daher, nicht nur lokal zu behandeln, sondern auch hormonelle Faktoren zu überprüfen. Eine simple Blutuntersuchung kann oft schon erste Hinweise auf eine Unterfunktion der Schilddrüse liefern. Gerade ältere Hunde oder bestimmte Rassen zeigen häufiger solche Doppelbelastungen.
Stress, Nerven und der empfindliche Bauch
Nicht nur Hormone, auch das Nervensystem spielt mit. Der Vagusnerv – unser großer "Entspannungsnerv" – steuert die Beweglichkeit des Magens und die Säureproduktion. Stress, Angst und Unruhe bringen dieses empfindliche System leicht aus dem Gleichgewicht. Ein gestresster Hund produziert häufig mehr Magensäure – die Schleimhaut leidet.
Dazu kommt: Im Verdauungstrakt sitzt ein riesiges Nervennetzwerk – das sogenannte enterische Nervensystem. Es wird oft als "Bauchhirn" bezeichnet. Rund 10 Millionen Nervenzellen koordinieren hier die Verdauungsvorgänge. Werden diese durch Stress oder dauerhafte Entzündung überreizt, entstehen nicht nur Magenprobleme, sondern auch Verhaltensänderungen: Unsicherheit, Gereiztheit, Schlafstörungen oder Appetitveränderungen.
Der Darm als Hormonfabrik: Mehr als nur Verdauung
Und auch der Darm selbst mischt hormonell mit: Hier wird der Großteil des Serotonins produziert, das nicht nur die Stimmung beeinflusst, sondern auch die Darmbewegung. Magen und Darm sind also viel mehr als reine Verdauungsorgane – sie sind eng mit Emotionen und Verhalten verknüpft.
Ist der Magen dauerhaft gereizt, leidet meist auch das Mikrobiom des Darms. Die gesunden Darmbakterien kommen aus dem Gleichgewicht, was wiederum den gesamten Stoffwechsel und das Immunsystem schwächt. Dadurch wird der Organismus anfälliger für weitere Entzündungen – und der Kreislauf setzt sich fort.
Folgen für den gesamten Organismus
- Wachstumsverzögerungen bei jungen Hunden
- Störungen des Muskelaufbaus
- Schwankungen des Blutzuckerspiegels
- Verschlechterung von Haut und Fell
- Erhöhte Infektanfälligkeit
- Wesensveränderungen bis hin zu depressiver Verstimmung
Besonders problematisch wird dies bei Hunden mit ohnehin bestehender Grunderkrankung, bei Senioren und bei Rassen mit empfindlichem Stoffwechsel.
Früh reagieren, ganzheitlich denken
All das zeigt: Gastritis ist mehr als nur ein kurzfristiges Verdauungsproblem. Sie ist Teil eines komplexen Netzwerkes aus Immunsystem, Hormonen, Nervensystem und Verhalten. Je früher kleine Warnzeichen wie morgendliches Erbrechen, Appetitveränderungen, Gewichtsverlust oder Wesensveränderungen erkannt werden, desto besser lässt sich der Hund ganzheitlich unterstützen. Hier braucht es eine enge Zusammenarbeit zwischen Tierarzt, Ernährungsexpert:in und Halter:in.
Deshalb ist die enge Begleitung solcher Hunde durch Tierarzt und Ernährungstherapie so wichtig. Oft reicht es nicht, nur kurzfristig Medikamente gegen Magensäure zu geben. Vielmehr geht es darum, die gesamte Regulation des Verdauungstrakts wieder ins Gleichgewicht zu bringen: Stressreduktion, optimierte Fütterung, Unterstützung der Darmflora, regelmäßige Bewegung und engmaschige tierärztliche Kontrollen.
Gastritis beim Hund ist also nicht nur ein Magenthema. Sie zeigt, wie eng Gesundheit und Stoffwechsel miteinander verbunden sind. Nur wenn wir den ganzen Hund betrachten, finden wir nachhaltige Lösungen.
Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine tierärztliche Beratung. Bei Erkrankungen oder Diätetik im Krankheitsfall bitte Rücksprache mit Tierarzt oder Ernährungsberater halten.
Weiterführende Informationen zu Ernährung und Diätetik können gerne hier eingeholt werden.
Joe Rahn
Verhaltens- und Ernährungsberatung/Diätetik