Fettleibigkeit beim Hund erkennen und vorbeugen

Warum es nicht nur um Futter geht

Fettleibigkeit beim Hund erkennen und vorbeugen

Wir müssen reden. Über ein Thema, das vielen Haltern peinlich ist. Fettleibigkeit beim Hund. Und nein, es geht nicht um „ein bisschen rundlich“. Es geht um ein wachsendes, dramatisches Gesundheitsproblem, das längst nicht mehr nur alte, bewegungsfaule Vierbeiner betrifft. Wenn ich ehrlich bin: Viele Halter unterschätzen, wie massiv Übergewicht die Gesundheit des Hundes zersetzt. Und wie früh die Entwicklung oft beginnt. In Deutschland liegen mittlerweile 56 Prozent der Hunde mit 15 bis 20 Prozent über ihrem Idealgewicht.

Das Mikrobiom entscheidet mit 

„Weniger Futter, mehr Bewegung“ – so klingt der Standardsatz. Stimmt auch irgendwo. Nur leider greift er viel zu kurz. Denn Adipositas beim Hund ist komplexer. Hormone, Stressachsen, Entzündungskaskaden, Mikrobiomverschiebungen – alles spielt mit hinein. Ja, zu viele Kalorien machen dick. Aber: Nicht jeder Hund setzt gleich viel an. Nicht jeder verwertet gleich effizient. Und genau hier kommt das Mikrobiom ins Spiel.

Viel zu wenigen Hundehaltern ist bekannt: Bestimmte Darmbakterien extrahieren deutlich mehr Energie aus der gleichen Futtermengen. Studien zeigen, dass übergewichtige Hunde oft eine veränderte Bakterienzusammensetzung haben – allen voran ein Zuviel an Firmicutes-Stämmen. Selbst bei identischer Futtermenge nehmen solche Hunde schneller zu. Und hier wird es spannend: Auch Stress, Medikamente, übermäßige Impfungen, stärkehaltiges Fertigfutter und Bewegungsmangel beeinflussen das Mikrobiom – und damit den gesamten Energiehaushalt.

Fettleibigkeit als Krankheitsverstärker

Oft bemerken Halter erst verspätet, dass ihr Hund zu dick wird. Warum? Weil der Hund „einfach nur gemütlicher“ wirkt. Typische Warnzeichen sind ein aufgeblähter Bauch, Kurzatmigkeit, sichtbarer Bewegungsunwille, Muskelabbau trotz „mehr Masse“ und Antriebslosigkeit. Der Body Condition Score, den der Tierarzt bewertet, gibt hier objektiven Aufschluss. Und leider zeigt sich immer öfter: Schon leichte Übergewichte tragen ein hohes Gesundheitsrisiko.

Adipositas ist kein kosmetisches Problem. Es ist ein systemischer Krankheitsbeschleuniger. Gelenkprobleme und Arthrosen durch ständige Überlastung, erhöhtes Diabetes-Risiko durch Insulinresistenzen, Herz-Kreislauf-Belastungen, entzündliche Prozesse, erhöhtes Krebsrisiko, eingeschränkte Immunabwehr, reduzierte Lebenserwartung und psychische Lethargie bis hin zu depressionsähnlichem Verhalten sind die Folgen.

Besondere Gefährdung älterer Hunde

Gerade bei älteren Hunden kippt das System schnell: Der Stoffwechsel wird langsamer, die Muskelmasse schwindet, die Bewegung nimmt ab, während gleichzeitig die Futterrationen oft unverändert bleiben. Ein tödlicher Kreislauf. Auch hormonelle Faktoren spielen hinein. Kastrationen, Schilddrüsenstörungen und chronische Entzündungen destabilisieren den Energiehaushalt weiter. Und viele Senioren leiden zusätzlich unter Mikrobiomverschiebungen, die den Stoffwechsel noch ineffizienter machen. Wir Halter meinen es gut. Hier mal ein Extra-Leckerli, dort der restliche Käse vom Tisch, dazu vielleicht noch das übliche Trockenfutter – oft völlig überkalorisch für den Alltagsbedarf unserer Hunde. Und viele Diätfutter, die mit „light“ werben, liefern dennoch hohe Stärkemengen – was die Problematik der Mikrobiom-Verschiebung langfristig sogar noch verstärkt.

Die Stellschrauben für Stabilität des Hunde Mikrobioms

Die gute Nachricht: Es gibt klare Hebel, an denen wir ansetzen können. Hochwertiges, proteinreiches, stärkearmes Futter, natürliche Faserstoffe für das Mikrobiom, regelmäßige Bewegung angepasst an Alter und Fitness, Reduktion von Leckerlis und Tischresten, keine ständige Futterverfügbarkeit, gezielte Prä- und Probiotikatherapie zur Mikrobiomstabilisierung und Stressreduktion, denn chronischer Stress fördert Entzündung und Gewichtszunahme. Ganz verzichten muss dein Hund nicht. Aber achte auf sinnvolle Snacks wie gefriergetrocknetes Fleisch, kleine Gemüsehappen, Pansen-Happen, proteinreiche Hanf-Happen, Quäse-Happen mit viel Eiweiß und wenig Fett oder kleine Insekten-Happen als nachhaltige Proteinquelle. Finger weg von Zuckerleckerlis, Backwaren, fettigen Wurststücken und allem, was stärkehaltig oder ölig daherkommt.

Der richtige Fütterungsplan

Ich empfehle grundsätzlich mehrere kleine Mahlzeiten, um Heisshunger zu vermeiden, Proteine hoch und Kohlenhydrate runter, Ballaststoffe gezielt einsetzen, hochverdauliche, naturnahe Eiweißquellen nutzen, Fett nur moderat, nicht völlig streichen, Wasseraufnahme sichern und Bewegungstherapie als festen Tagesbestandteil einplanen.

Früh gegensteuern lohnt sich

Fettleibigkeit beim Hund ist kein Thema für späte Korrektur. Es beginnt oft unauffällig und schleicht sich über Jahre ein. Doch je früher wir bewusst gegensteuern, desto eher lässt sich der Hund stabilisieren. Dabei reicht reines Kalorienzählen nicht aus. Wir müssen an den Stoffwechsel, an die Entzündung, ans Mikrobiom und ans Verhalten ran. Denn am Ende steuert nicht der Napf allein über das Gewicht deines Hundes – sondern sein ganzer Stoffwechselkomplex, den wir ganzheitlich stabilisieren müssen. Im nächsten Teil dieser Serie gehen wir deshalb noch genauer darauf ein, wie Du über die gezielte Steuerung des Mikrobioms und der Ernährung dauerhaft stabilisierst.

Weiterführende Informationen zu Ernährung und Diätetik können gerne hier eingeholt werden.

Joe Rahn

Joe Rahn
Verhaltens- und Ernährungsberatung/Diätetik

 

www.anicare.vet